Die stärksten Regenfälle seit 30 Jahren haben im Tschad unfassbares Leid verursacht. Die Niederschläge haben den Menschen alles genommen: Häuser, Ackerland, Ernte. Die von Hunger Betroffenen benötigen dringend neues Saatgut, damit die nächste Ernte gesichert ist. SWISSAID startet ein Nothilfeprojekt und verteilt Saatgut und Nahrungsmittelpakete.
Die Fakten
Die Ziele
Im Rahmen des Nothilfeprojekts werden Lebensmittelpakete an die bedürftigsten Menschen verteilt, um ihnen zu helfen, die kritische Zeit zu überstehen. Ausserdem erhalten Bäuerinnen und Bauern schnell wachsendes Saatgut, das eine rasche Ernte ermöglicht. Schwangeren Frauen und Kleinkinder werden Nahrungsergänzungsmittel verteilt.
Das Projekt wird finanziell unterstützt von der DEZA.
Erfolgreicher Abschluss dank überwältigender Solidarität unserer Unterstützer:innen
Dank der Unterstützung unserer Spenderinnen und Spender und einem gut funktionierenden Netzwerk vor Ort konnte SWISSAID schnell und präzise Nothilfe leisten: Insgesamt konnten wir 250 Tonnen Lebensmittel sowie 19 Tonnen Saatgut an rund 12 900 Menschen verteilen und für 6 000 Menschen den Zugang zu Trinkwasser sichern. Diese Nothilfe-Massnahmen haben wesentlich zur Verbesserung der Ernährungssicherheit vieler Haushalte beigetragen.
«Die Menschen hatten alles verloren, was für ihre Existenzgrundlage von Bedeutung war», berichtet Maxime Nadjirambaye, der Nothilfekoordinator von SWISSAID Tschad. «Durch Spenden aus der Schweiz konnten wir ihnen neuen Mut schenken. In den Gesichtern der Begünstigten sahen wir die Hoffnung auf ein neues Leben erstrahlen. Für eine Bäuer:in gibt es nichts Wichtigeres als Saatgut und die Kraft, das eigene Land zu bewirtschaften. Wir möchten allen, die dieses Projekt ermöglicht haben, von Herzen danken.»
Die langjährige Präsenz von SWISSAID im Land und die gute Vernetzung mit lokalen Partner:innen ermöglichten die zügige und erfolgreiche Umsetzung der Nothilfe. Dank der Saatgutabgabe konnten die Begünstigten ihre Felder pünktlich bestellen und die Saatgutvorräte wieder auffüllen. Die akute Hungersnot wurde kurzfristig durch die Abgabe von Lebensmittelpaketen gemildert. Zudem hat der einfachere Zugang zu Trinkwasser die Lebensbedingungen vieler Menschen langfristig verbessert.
Nothilfe im Tschad: «Lage dramatischer als befürchtet»
«Die Bedürfnisse der Menschen sind enorm. Die Lage ist dramatisch». Diese Worte erreichen uns von Olivier Ngardouel Mbaïnaïkou, Leiter unseres Koordinationsbüros im Tschad. Je länger unsere lokalen Teams in den betroffenen Regionen unterwegs waren, je intensiver sie sich mit der Situation der Menschen vor Ort auseinandersetzten, desto klarer wurde: Die Lage ist dramatischer, als wir befürchtet hatten.
Die Kleinbauernfamilien, die bei den letztjährigen aussergewöhnlich heftigen Regenfällen und Überschwemmungen ihre Ernte und ihr Saatgut verloren hatten, benötigen dringend Hilfe. Kaum eine andere Hilfsorganisation ist vor Ort. In den Medien ist diese humanitäre Katastrophe inexistent. Das Land steht vor einer humanitären Katastrophe. Vielerorts fällt die Ernte zum zweiten Mal aus. Millionen hungern.
Die Preise steigen
Die Preise für Lebensmittel und Saatgut aber auch für den Transport sind in den vergangenen Wochen ins Unermessliche gestiegen. Das ist vor allem auf die Knappheit und den damit verbundenen Anstieg der Dieselpreise zurückzuführen. So kostete ein Lebensmittelpaket fast 60 statt 40 Franken.
Unser Team arbeitet unter Hochdruck. Anfang Mai haben wir im Tschad begonnen, Essenspakete, Saatgut und Nahrungsergänzung für Schwangere und Kinder zu verteilen. Die Verteilaktion findet unter enormen Belastungen statt: Die Temperatur bewegt sich in dieser Jahreszeit gegen die 50 Grad Celsius. Und die Zeit drängt: Bald beginnt die Regenzeit, die Felder müssen bestellt werden.
Als der Regen kam - und nicht mehr aufhörte
Normalerweise sehnen die Menschen im Tschad den Regen herbei. Diesmal aber kam er früher als üblich sintflutartig – und hörte nicht mehr auf.
Nach Angabe der staatlichen Wetterbehörde gab es im Tschad seit 1990 keine derart heftigen Regenfälle mehr wie Ende 2022. Ganze Städte des Landes standen unter Wasser. Die schweren Regenfälle haben verschiedene Regionen des Landes getroffen, darunter auch die Süd-Provinzen Guéra, Mandoul und Logone Oriental, in denen SWISSAID tätig ist.
Zur Übersicht der überschwemmten Gebiete (Quelle: Humanitarian Response)
(Video: Frankfurter Allgemeinen Zeitung F.A.Z.)
Die mehrere Wochen anhaltenden Niederschläge zerstörten Ackerland, Häuser und Infrastrukturen. Die Fluten nahmen Familien ihre Lebensgrundlage oder zwangen sie zur Flucht. Gemäss dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) waren davon 1,3 Millionen Menschen betroffen, 80 000 Häuser sowie viele Schulen, Gesundheitszentren und öffentliche Infrastruktur wurden zerstört (Quelle: Humanitarian Response).
In den Süd-Provinzen Logone Oriental und Mandoul, dem Einsatzgebiet von SWISSAID, verloren mehr als 100’000 Familien ihre gesamte Ernte – und damit ihre Lebensgrundlage.
So wie die 45-jährige Kleinbäuerin Berthe Mendjipi aus dem Bezirk Miandoum im Süden des Tschads. Sie erinnert sich an die Tragödie: «So etwas haben wir noch nie erlebt. Wir wurden von den Wassermassen komplett überrascht.»
Ein Drittel mehr Mangelernährte
Die Menschen leiden bis heute stark unter den Folgen der Überschwemmungen. Die Niederschläge haben Getreide und Ackerland zerstört: über 350 000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche wurde beschädigt, die Ernte wurde weggespült und fiel weitgehend aus. Weil die Familien kein Saatgut zur Seite legen konnten, fehlt es nun auch an neuem Saatgut. Eine weitere Ernte droht auszufallen. Auf zwei Ernten nacheinander verzichten zu müssen, ist für die Menschen, die jetzt schon Hunger leiden, eine lebensbedrohliche Gefahr. «Uns fehlt es an allem: Wir benötigen jetzt schnell Essen, Saatgut und sauberes Wasser», so Berthe Mendjipi.
Vor den Überschwemmungen hatten wir jeden Tag für unsere Familie genug zu essen. Wir konnten jeden Tag Gemüse von unseren Feldern ernten und täglich eine Mahlzeit kochen. Dann kam die Flut. Das viele Wasser zerstörte alles. Nur die Aussaat, die wir auf etwas höher gelegenen Flächen anbauten, blieb uns übrig. Wir bauten zwei Hektaren Erdnüsse an aber die Aussaat wurde davongeschwemmt. Auch die anderen Felder mit Sorghum, Padi-Reis, Sesam und Zwiebeln wurden vom Wasser zerstört.
Berthe Mendjipi, Bäuerin im Tschad und 8-fache Mutter
Wie Berthe und ihrer Familie geht es im Tschad vielen Menschen. Seit Wochen haben sie kaum zu essen. Die Unsicherheit, ob am nächsten Tag genügend Essen für die Familie auf dem Tisch steht, steigt. Die Zahl der mangelernährten Menschen ist um 37 Prozent gestiegen – innerhalb von nur drei Monaten (Quelle: World Food Programme).
Überleben dank Nothilfe: mit Saatgut und Essenspaketen
SWISSAID leistet seit April 2023 Nothilfe und sichert mit Lebensmittelpaketen und Saatgut das Überleben von mindestens 12’900 Frauen, Männer und Kinder. Seit 58 Jahren ist SWISSAID im Tschad mit einheimischen Mitarbeiter:innen vor Ort. Die lange Erfahrung und Verwurzelung zahlen sich in der Not aus.
Diese einzelnen Aktivitäten sind geplant:
- 1600 vulnerable Haushalte (ca. 9’600 Personen) erhalten Lebensmittelpakete und Informationen über gute Ernährungspraktiken. Die Lebensmittelpakete enthalten 10 Kilo Bohnen, je 20 Kilo Sorghum und Mais, 2 Kilo Zucker sowie 5 Liter Öl. Diese Ration deckt den Bedarf einer 6-köpfigen Familie für rund einen Monat.
- Die 1600 Kleinbauernfamilien erhalten Saatgutpakete und werden in agrarökologischen Techniken geschult. Jedes Paket enthält je 1 Kilo Sesam- und Erdnuss- sowie je 5 Kilo Sorghum- und Reissaatgut. Diese vier Sorten sind in der Region gut bekannt und müssen im April, spätestens Anfang Mai, ausgesät werden.
- 2500 schwangere und stillende Frauen sowie 800 Kleinkinder im Alter von 6 bis 23 Monaten erhalten Nahrungsergänzungsmittel und Unterstützung bei der Ernährung. Die Rationen bestehen aus je 500 Gramm angereichertem Mehl, um Unterernährung, Nährstoffmangel und Wachstumsverzögerungen vorzubeugen. Jede Mutter wird über die Zubereitung des Breis mit Misola-Mehl aufgeklärt.
Tschad – eines der ärmsten Länder der Welt
Im Welthunger-Index 2023 belegt der Tschad Platz 119 von 125 Ländern. 31,4 Prozent der Bevölkerung sind unterernährt.