Klimakrise

Mit Kreativität und Innovation gegen die Klimakrise

Klimawandel und Armut beeinflussen sich gegenseitig: Kaum ein Land bekommt das so stark zu spüren wie Nicaragua. Kreative Ansätze und Strategien helfen Kleinbauernfamilien, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen.

Die Fakten

Land, Region:
Matagalpa, Nicaragua
Dauer:
September 2021 - August 2024
Begünstigte:
2’000 Kleinbauernfamilien
Gesamtprojektbudget:
320'108 CHF

Die Ziele

Zielsetzung des Projekts ist die Verbesserung der Ernährungssituation von rund 2’000 Kleinbauernfamilien. Dafür stehen die Entwicklung und Verbreitung von lokalem, den klimatischen Verhältnissen angepasstem Saatgut im Fokus, damit die Versorgung gesichert ist. Im Rahmen eines partizipativen Ansatzes erhalten die Bäuerinnen und Bauern Zugang zu dem Saatgut für die Produktion, welches nebst der ganzjährigen Ernährung auch die genetische Vielfalt vor Ort sichert. Zentral ist die Ausbildung von Pflanzenzüchter:innen und Saatguthüter:innen sowie die Erweiterung kommunaler Saatgutbanken.

Dieses Projekt wird durch den Programmbeitrag der DEZA mitfinanziert.

 

Mitch, Felix, Eta und Iota: In Nicaragua stehen diese Namen für Verwüstung und Leid – es sind verheerende Tropenstürme, die das lateinamerikanische Land in den letzten Jahren heimgesucht haben. Solche klimatisch bedingten Wetterphänomene gab es in dieser Region schon immer, doch ihre Häufigkeit und Intensität haben stark zugenommen. Nach dem Global Climate Risk Index 2019 zählt Nicaragua zu den zehn Ländern, die weltweit am meisten durch den Klimawandel gefährdet sind. Hochwasser, Erdrutsche und extreme Trockenheit werden immer häufiger.

Dadurch haben sich die Probleme des drittärmsten Landes Lateinamerikas drastisch verschärft. Wasserressourcen werden knapper, Waldgebiete kleiner. Stürme, Erdrutsche, Hochwasser und eine intensive Landwirtschaft verunreinigen die wenigen Wasserquellen. Die landwirtschaftliche Produktion leidet, Hungersnöte sind vorprogrammiert. Schon heute kann mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht immer dreimal täglich essen.

Mein Ackerland, auf dem ich Mais anpflanzte, gab nicht mehr viel her.

Erasmo Flores, Kleinbauer aus San Dionisio, erlebte die Nachteile der Monokultur auf dem eigenen Feld.

Die Ernährungssituation der Bevölkerung Nicaraguas ist eng mit der Landwirtschaft verknüpft: Etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt direkt von der Landwirtschaft, rund 40 Prozent der Grundnahrungsmittel wie Bohnen und Mais werden von Kleinbauernfamilien produziert. Die Existenzgrundlage vieler Familien ist aufgrund der Klimaveränderungen sowie durch nicht nachhaltige Bewirtschaftungspraktiken bedroht.

«Mein Ackerland, auf dem ich Mais anpflanzte, gab nicht mehr viel her», berichtet der Bauer Erasmo Flores aus San Dionisio. Wie viele andere im Departement Matagalpa setzte auch er jahrelang nur auf den Anbau von Mais und Bohnen. Doch Monokulturen halten den veränderten klimatischen Bedingungen nicht stand: Böden degradieren zunehmend. Noch mehr Ernteausfälle sind die Folge. Und wenn sich aufgrund des Klimawandels Schädlinge und Krankheiten ausbreiten, wird schlimmstenfalls die gesamte Monokultur dahingerafft.

Kreativität und Innovationen sind gefragt

Doch wo setzt Hilfe am besten an, damit es nicht nur Tropfen auf den heissen Stein sind? Agrarökologische Lösungen für gestärkte Ökosysteme lassen sich nicht weit weg am Schreibtisch entwickeln, sondern vor Ort auf dem Feld. Deshalb unterstützt SWISSAID Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, zu experimentieren und eigene kreative Lösungsansätze gegen den Klimawandel zu entwickeln. Zum Beispiel in sogenannten AeD-LABs (Agroecological Labs for Climate Change Adaption): In «Innovationsräumen», also auf den Feldern und in Hinterhöfen der Kleinbäuerinnen, werden neuartige oder auch traditionelle Anbau- und Verarbeitungsmethoden getestet. Diese sollen die Anpassung an den Klimawandel verbessern und damit die Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft und die der Familien stärken.

Erfolgreich getestete Methoden werden von den Bäuerinnen und Bauern an andere Familien weitergegeben und unterrichtet. Der Austausch von Erfahrungen ist zentral. Demnächst geht das ganz einfach in einer interaktiven Community via App oder WhatsApp, wo auch ausgebildete Agronominnen und Agronomen Unterstützung bieten, damit die Familien einzelne Lösungsansätze nach den Regeln der Kunst weiterbeforschen können.

Ihre Spende verändert Leben

Dem Bauern in Ecuador. Der Mutter im Niger. Dem Jungen in Myanmar. Der Frau in Kolumbien. Der Familie in Tansania. Dem Mann im Tschad. Dem Mädchen in Indien. Dem Vater in Guinea-Bissau. Der Bäuerin in Nicaragua. Ihnen kommt Ihre Spende zugute.

Biologische Vielfalt statt Einheitsbrei

Erasmo Flores hat gute Erfahrungen mit den Innovationsräumen gemacht. Er und andere Bäuerinnen und Bauern der Gemeinschaft El Bonete experimentieren mit der Wiederbelebung traditioneller Techniken rund um Agroforstsysteme und können erste Erfolge verzeichnen.

Gemeinsam erproben sie ein Agroforstsystem, das der fortschreitenden Entwaldung entgegenwirkt und dank neuer Artenvielfalt geschädigte Böden wieder fruchtbar macht. «Durch die Umnutzung der Maisanbaufläche ist der Boden fruchtbarer geworden», erklärt Erasmo Flores. Dürre oder Regen bedrohen nicht mehr automatisch seine gesamte Ernte. Das Blätterdach sorgt für Schatten, es entsteht ein eigenes Mikroklima, das sich positiv auf das Wachstum der Kulturpflanzen auswirkt. «Seit der Umnutzung kann ich auf meinem Land nicht nur Mais und Bohnen, sondern auch Bananen, Feigen, Kaffee, Straucherbsen und Zitrusfrüchte ernten», freut sich Erasmo Flores.

Das zeigt, wie wichtig die Biodiversität ist: Wenn wir die biologische Vielfalt schützen, gelingt die Anpassung an den Klimawandel leichter. Neue, klimafreundliche Ansätze auszuprobieren, braucht auch Mut – besonders wenn die eigene Familie auf jedes Kilo Ernte angewiesen ist. Doch Erasmo Flores’ Credo bleibt: «Was nicht gesät wird, kann auch nicht geerntet werden.»

Seit der Umnutzung kann ich auf meinem Land nicht nur Mais und Bohnen, sondern auch Bananen, Feigen, Kaffee, Straucherbsen und Zitrusfrüchte ernten.

Kleinbauer Erasmo Flores mit einem Kollegen auf seinem Agroforstfeld

Saaatgutspeicher als Treffpunkt

Auch Carmen del Socorro Orozco aus Darío setzt lieber auf Taten: Gemeinsam mit SWISSAID und anderen Kleinbauernfamilien baute sie einen Saatgutspeicher für den Schutz und die Erhaltung von klimaresistenten Saatgutsorten. Das Wissen dazu erhielt sie von den Alten der Gemeinde und reicht weit zurück in die Vergangenheit.

Temperaturen von bis zu 40 Grad sind in Nicaragua nicht ungewöhnlich. Ein zu heisses Klima reduziert aber die Keimrate des Saatguts um 50 Prozent. Da helfen Saatgutspeicher aus Lehm und mit Ziegeldächern, sie können Temperaturen von 18 bis 20 Grad gewährleisten. Ausgewähltes einheimisches Saatgut, wie etwa das Criollo-Saatgut, ist gegenüber dem Klimawandel robust und kann mehr als ein Jahr gelagert werden. «Dank SWISSAID konnte ich viel über Saatgutmanagement lernen», erzählt Carmen del Socorro Orozco. Die Saatgutspeicher seien zu einem Treffpunkt der Bauernfamilien geworden. «Viele Leute kommen zum Speicher, um sich zu informieren und ihre Erfahrungen mit uns auszutauschen.»

Viele Leute kommen zum Speicher, um sich zu informieren und ihre Erfahrungen mit uns auszutauschen.

Carmen del Socorro Orozco, Saatguthüterin aus Darío

Auch wenn anfangs der Wechsel auf Agroforstsyteme oder zu neuen Pflanzenkreuzungen schwierig ist und mehr Arbeit und Investitionen bedeutet: «Ich glaube, dass bereits erfolgreiche Betriebe andere Betriebe anspornen. Sie sehen, dass innovative Bäuerinnen und Bauern besser gegen die Auswirkungen des Klimawandels gerüstet sind», so Erasmo Flores. Die nächste Wetterkapriole wird kommen. Doch dank Menschen wie Carmen del Socorro Orozco und Erasmo Flores haben wir alle Werkzeuge in der Hand, um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen.