Kampf gegen den Hunger

Mit Agrarökologie aus der Sackgasse

Seit ein paar Jahren nehmen Armut und Ungleichheit in Nicaragua wieder zu. Im ländlichen Terrabona, eine der ärmsten Regionen des Landes, gefährden die intensive Landwirtschaft und die Klimakrise die Ernährung der Menschen. Die Herausforderungen sind gross und die Möglichkeiten der Bevölkerung gering. Die Agrarökologie zeigt den Kleinbauernfamilien einen Weg aus der Sackgasse. 

Die Fakten

Land, Region:
Nicaragua, Landgemeinde Terrabona im Departement Matagalpa
Dauer:
Januar 2019 - Dezember 2023 (Projekt beendet)
Begünstigte:
450 Kleinbauernfamilien (rund 2'000 Menschen in 17 Dorfgemeinschaften)
Gesamtprojektbudget:
CHF 457'930

Die Ziele

Ziel des Projekts ist eine ausreichende und ausgewogene Ernährung der Bevölkerung. Dazu werden agrarökologische Anbaumethoden gefördert. Dies verbessert das Einkommen der Familien und schützt gleichzeitig die natürlichen Ressourcen. Ein besonderer Fokus gilt Frauen und Jugendlichen. 

Dieses Projekt wird durch den Programmbeitrag der DEZA mitfinanziert.

«Neben den wichtigsten Getreidesorten wachsen auf meinem Feld neuerdings auch Karotten, Rettiche, Zuckerrüben und Zwiebeln. Dank dieser Diversifizierung haben wir das ganze Jahr über zu essen und ein regelmässiges Einkommen», erzählt Armando Cárdenas Flores sichtlich stolz. Der 40-jährige Kleinbauer und Familienvater aus Caña de Castilla in der Gemeinde Terrabona, freut sich über die Fortschritte auf seinem Hof. Sein neues Wissen zur Agrarökologie trägt erste Früchte. Damit hat sich auch die Ernährungs- und Einkommenssituation seiner Familie in den letzten Jahren stark verbessert.  

Armandos Situation und die seiner Familie war nicht immer so gut wie jetzt. Erst seit er vor sieben Jahren auf die Agrarökologie und deren nachhaltige Auswirkungen auf die Umwelt aufmerksam geworden ist, hat sich das Blatt gewendet. Er begann sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, und war beeindruckt vom Gedanken, weniger umweltschädliche Produktionsmittel einzusetzen aber viele unterschiedliche Sorten anpflanzen und ernten zu können. Sein neu erworbenes Wissen wollte er fortan auch mit anderen Familien in der Gemeinde teilen.  

Ein Berg an Herausforderungen

Die Ernährungssicherheit der nicaraguanischen Bevölkerung hängt zum grossen Teil von der kleinbäuerlichen Landwirtschaft ab. Rund 40 Prozent der nationalen Grundnahrungsmittel wie Bohnen, Mais, Reis und Sorghum werden von Kleinbauern wie Armando produziert. 

Wie in vielen ländlichen Regionen nehmen die Ernteerträge in der Gemeinde Terrabona jedoch stetig ab. Nicht nachhaltige Bewirtschaftungsformen wie Monokulturen, hoher Pestizideinsatz, geringer Fruchtwechsel und die Verwendung von nicht standortgerechtem Saatgut sind in der Region noch weit verbreitet. Die Folge: Lebenswichtige natürliche Ressourcen wie Wald und Wasser werden verschmutzt und zerstört. 

Ich empfehle den anderen Kleinbäuerinnen und -bauern die Agrarökologie zur Verbesserung der Bodenqualität. Quellgebiete müssen zum Beispiel wieder aufgeforstet werden. Zudem ist es besser, zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten organische Produkte zu nutzen, weil sie günstiger sind und die natürlichen Ressourcen schonen.

Armando Cárdenas Flores gibt sein neu erlangtes Wissen über die Agrarökologie an die Gemeinschaft weiter.

Hinzu kommen extreme klimatische Veränderungen, welche die Lage in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert haben. In der zuvor bereits sehr trockenen Region Terrabona zerstören immer längere Trockenzeiten, aber auch Hochwasser, die Ernten der Kleinbauernfamilien und damit ihre Existenzgrundlage. Die Selbstversorgung wird immer schwieriger. Bestandsaufnahmen haben gezeigt, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht mehr in der Lage ist, sich das ganze Jahr über selbst zu ernähren. 

Die Lösung: Agrarökologie

Das wollte Denis Diaz Figuerosa nicht einfach so hinnehmen und hat sich ebenfalls rund um agrarökologische Anbaumethoden weitergebildet. Der 42-jährige Kleinbauer, der mit seiner fünfköpfigen Familie auch in der Gemeinde Terrabona lebt, lernte beispielsweise, wie man organischen Dünger herstellt und die beste Fruchtfolge bestimmt. Besonders in der Diversifizierung seiner Produktion sieht er ein grosses Potenzial, um seiner Familie eine bessere Zukunft zu ermöglichen. «Mein grösster Erfolg ist die Steigerung der Produktion und des Einkommens dank der Diversifizierung und dem Verkauf meiner Produkte», berichtet Denis Díaz Figueroa sichtlich erfreut.

Neben agrarökologischen Anbaumethoden helfen auch andere Massnahmen den Kleinbauernfamilien in Terrabona aus der Sackgasse. Durch den Bau von Saatgutbanken erhalten sie Zugang zu hochwertigem, lokal angepasstem Saatgut. Zudem können die Familien Workshops zum Schutz der natürlichen Ressourcen und der Biodiversität besuchen. Zur besseren Nutzung der Wasserressourcen werden Wasserschutz- und Quellgebiete wieder aufgeforstet, sowie Bewässerungsanlagen und Wasserauffangbecken gebaut. 

Das Experimentieren auf dem eigenen Feld und der Austausch mit anderen Kleinbäuerinnen und  -bauern ist für Denis entscheidend, um die Agrarökologie erfolgreich voranzutreiben. Diese Methode der Wissensvermittlung möchte man in diesem Projekt fördern. Da die lokale Bauernvereinigung Programa Campesino a Campesino de Terrabona (PCaC) dafür eine wichtige Plattform bietet, wird sie im Rahmen des Projekts institutionell gestärkt. Das Ziel ist, einen gemeinsamen Lernprozess in der Gemeinde anzustossen. 

Das neu erlangte Wissen zur Agrarökologie, das gestärkte Umweltbewusstsein und die bessere Vernetzung mit den anderen Kleinbäuerinnen und -bauern – all das sind bedeutende Veränderungen im Leben meiner Familie.

Die Teilnahme am Agrarökologieprojekt in Terrabona hat das Leben von Denis und seiner Familie umgekrempelt. 

Das Potenzial der Frauen und Jugendlichen nutzen

Bei der Förderung der Agrarökologie stützt sich SWISSAID auf die 13 Prinzipien der FAO sowie der CIDSE und fügt noch ein 14. Prinzip hinzu: Die Gleichstellung der Geschlechter. Dieses Ziel verfolgt SWISSAID in allen 47 agrarökologischen Projekten. Frauen tragen die Hauptlast im Haushalt und bei der Bestellung der Äcker verfügen aber nur über geringe Perspektiven, Ressourcen und kein Kapital. Auch den Jugendlichen fehlt es oftamls an Einkommens- und Bildungsmöglichkeiten. Weder sie noch die Frauen sind in gesellschaftliche Prozesse eingebunden. Mithilfe von Schulungen zu Themen wie Leadership, Rechtsgrundlagen, Frauenrechte und Selbstwertgefühl soll ihre Teilhabe am öffentlichen Leben und ihre Unabhängigkeit gestärkt werden.

Armando Cárdenas Flores sieht nur Vorteile: «Dank den Schulungen zur Geschlechtergerechtigkeit und dem neuen Männlichkeitsverständnis weiss ich jetzt die Unterstützung meiner ganzen Familie viel mehr zu schätzen. Meine Frau hat ein eigenes Geschäft aufgebaut und verbessert durch den Verkauf von Brot nun das Einkommen der Familie. Das sind sehr positive Veränderungen.» 

Ein gutes Vorbild

Kleinbauern wie Armando und Denis gehen mit gutem Beispiel voran, um andere Kleinbauernfamilien von den Vorteilen der Agrarökologie zu überzeugen. Sie teilen ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus der Praxis, um gemeinsam einen Weg aus dem Hunger und der Armut zu finden. Auch der Aspekt des Umweltschutzes ist ihnen sehr wichtig. Denn: Je mehr Menschen die natürlichen Ressourcen schützen, desto besser geht es der Gemeinschaft als Ganzes und desto besser stehen die Zukunftschancen aller.  

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