Abgekapselt vom Rest der Welt und ohne Informationen: Die Bewohnerinnen und Bewohner der indigenen Gemeinde Jubal in Ecuador sind seit Ausbruch der COVID-19 Pandemie auf sich allein gestellt. Die Lieferketten sind zusammengebrochen, den Bauernfamilien drohen Mangelernährung und finanzielle Not. Das Wissen über agroökologische Anbaumethoden verspricht Rettung.
Die Fakten
Die Ziele
Der Unterbruch von Lieferketten und die gesundheitliche Bedrohung des Coronavirus verschärfen die schon vorher schwierige Situation der ländlichen Bevölkerung. Das Nothilfeprojekt zielt auf die Stärkung von indigenen, bäuerlichen Familien ab. Zum einen wird die COVID-19 Pandemie mittels Informationen und Hygienemassnahmen bekämpft. Zum anderen wird die Nahrungsmittelversorgung der Familien sichergestellt und die agroökologische Landwirtschaft gefördert.
Dieses Projekt wird durch den Programmbeitrag der DEZA mitfinanziert.
«Ab und zu dringen Nachrichten von überfüllten Spitälern aus den Städten zu uns. Ansonsten hören wir nichts. Es ist beängstigend», erzählt Flor Collaguazo. Die 24-jährige Frau lebt in der Gemeinde Jubal im Hochland von Ecuador. Die nächste Stadt ist drei Stunden entfernt. Spitäler oder Apotheken sucht man hier in der Provinz Chimborazo, der ärmsten Region Ecuadors, vergebens.
Die ecuadorianische Regierung konzentriert sich bei der Bekämpfung der Pandemie auf die urbanen Räume. «Wenn das Virus zu uns kommt, haben wir keine Chance», sagt Flor Collaguazo. Im Frühsommer beschloss die Gemeinde deshalb die totale Isolation: «Niemand durfte ohne Genehmigung die Gemeinde verlassen».
Mangelernährung und Isolation
Auf die Isolation folgte die Not. Die indigenen Familien lebten schon vor der Krise am Existenzminimum. Mit dem unterbrochenen Marktzugang fällt eine existenzielle Einnahmequelle für sie weg. Auch die Versorgung mit kommerziellem Saatgut und Düngemittel funktioniert in der Krise nicht mehr. Das bringt Familien, die auf konventionelle Landwirtschaft setzen, in grosse Schwierigkeiten. Den Kleinbauernfamilien geht zunehmend das Geld aus und die Nahrungsmittelknappheit nimmt zu.
Die Versorgung mit kommerziellem Saatgut, welches in Ecuador 90% des Saatguts ausmacht, funktioniert aufgrund der COVID-19 Situation nicht mehr. Die Lieferketten sind zusammengebrochen.
Agroökologie als Lösung
In dieser prekären Situation verspricht der agroökologische Anbau Hoffnung. Seit Jahren fördert SWISSAID in den ländlichen Gebieten Ecuadors Saatgutvielfalt und Agroökologie. Das zahlt sich jetzt aus.
Die Familien, die bereits vor der Krise mit Hilfe von SWISSAID auf agroökologischen Anbau umgestellt haben, können weiterhin Nahrungsmittel anbauen. Sie verfügen über eigenes Saatgut und können ihre Felder mit ihrem biologischen Dünger bewirtschaften. «Wir können nicht nur unsere eigene Familie, sondern auch einen Teil der Gemeinde mit Kartoffeln, Bohnen und Knollenfrüchten ernähren», erzählt Flor.
Mit 16'000 Setzlingen gegen den Hunger
Aufbauend auf bestehenden Projekten aus der Region wirkt SWISSAID der drohenden Lebensmittelknappheit in abgelegenen Dörfern wie Jubal entgegen. Die Kleinbauernfamilien werden eingebunden in den Aufbau und die Verteilung von Setzlingen aus ökologischem Anbau. Gemeinschaftsgewächshäuser werden eingerichtet und lokales Saatgut verteilt. Allein nach Jubal wurden rund 16’000 Gemüsesetzlinge geliefert. «Diese Pflanzen helfen uns, nicht in Armut zu geraten und weiterhin Nahrungsmittel für unsere Familien und unsere Gemeinden anzubauen», bedankt sich Flor.
Im Rahmen des Nothilfeprojekts werden Gewächshäuser gebaut, in denen Setzlinge für die Feldbewirtschaftung herangezogen werden. Die Pflanzen werden an Kleinbäuerinnen und -bauern weitergegeben. Ebenfalls wird kostenlos lokales Saatgut an Familien verteilt, um die Verbreitung von einheimischem Saatgut zu fördern.
Krise als Chance
Die Krise macht die schädliche Abhängigkeit der Bauernfamilien von der industriellen Landwirtschaft deutlich. Sie zeigt, wie wichtig es ist, ein von internationalen Lieferketten unabhängiges Ernährungssystem zu erhalten.
Seit der Pandemie ist ein Umdenken in der kleinen Gemeinde spürbar. Immer mehr Familien setzen auf eigenes Saatgut und agroökologischen Anbau. «Wir haben gelernt, unser Land mehr wertzuschätzen», erzählt Flor. Sie fügt an: «Unsere Felder und das Wissen über Agroökologie haben uns gerettet.»