Tschad

Ein Weg in Richtung Frieden

In der Region Guéra im Tschad werden durch den Klimawandel wichtiges Ackerland und andere natürliche Ressourcen immer knapper. Dies führt teilweise zu schweren Konflikten zwischen nomadischen Viehzüchter:innen und lokalen Kleinbäuer:innen. Diese Situation soll durch den vielschichtigen Triple-Nexus-Ansatz verbessert werden.

Die Fakten

Land, Region:
Tschad, Guéra
Dauer:
September 2023 bis August 2026
Begünstigte:
800 Betriebe, rund 4'800 Personen
Gesamtprojektbudget:
CHF 626‘250

Die Ziele

Die ländlichen Gemeinschaften und Behörden in den Departementen Abtouyour und Bahr Signaka/Garada sind in der Lage, mit Klimaschocks umzugehen, gewaltsame Konflikte zu verhindern und die Ernährungssicherheit in einem friedlichen Umfeld nachhaltig zu gewährleisten.

  • Die landwirtschaftlichen Massnahmen der lokalen Behörden und Beratungsdiensten helfen den Familienbetrieben, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen und Konflikte zwischen Tierhaltung und Ackerbau friedlich zu lösen.
  • Die Familienbetriebe verbessern ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln und steigern ihre Einkommen, dies im Einklang mit den Klimabedingungen.
  • Frauen und Jugendliche erschliessen neue Einkommensquellen und sind besser in die lokale Entwicklung integriert.

Terab Djiraki hat viele Stunden seines Lebens mit Warten verbracht. Nach langen anstrengenden Tagen auf seinen Feldern sitzt der Gemüsebauer mit einem Stock in der Hand unter einen Baum inmitten der Steppen. Er blickt zu den Bergen, welche nahe seinem Dorf Bitkine im Zentrum des Tschads gegen den Himmel ragen. Lauscht, ob er Hufgetrappel hört.

«Rinder haben schon oft meine Felder verwüstet.»

Terab Djiraki, Kleinbauer in Bitkine im Tschad 

 

Das ist der eigentliche Grund für sein Ausharren: Er hält Wache, um sein Boden vor Rindern und Ziegen zu schützen. Sie haben die jungen Pflanzen niedergetrampelt. Den Mais gefressen. Und so die dringend benötigte Ernte vernichtet. Terab Djiraki lebt von seinem Acker – und überlebt nur, wenn dieser genug abwirft. Auf mehreren Feldern, zusammen so gross wie ein Fussballplatz, pflanzt der Kleinbauer Hirse, Gemüse und Chili an. Auch ohne die Bedrohung durch das Vieh ist das Leben des Kleinbauers garstiger geworden. Der Klimawandel zerstört seine Lebensgrundlage: Böden versanden. Wasser fehlt. Die Erträge sinken. «Das macht mir grosse Sorgen!»

Verzweifelte Suche

Levi Brahim verbringt sein Leben mit der Suche. Der Suche nach Weideland und Wasserstellen. Um fünf Uhr in der Früh ist er mit seinem Vieh unterwegs. Noch vor Sonnenaufgang treibt er seine rund 70 Tiere – darunter Ochsen, Ziegen und Schafe – den Berg hoch, hin zu einem Flecken Grün, auf welchem seine Tiere grasen können. Diese wurden in den vergangenen Jahren immer rarer. Die Wege weiter. Die Suche länger. «Die Weideflächen werden knapp!», sagt er, seine Stirn legt sich in Falten. Der Vater von acht Kindern muss nicht nur seine Familie mit genügend Nahrung versorgen, auch seine Tiere brauchen Gras. Mangelernährte Tiere sind anfälliger auf Krankheiten und geben weniger Fleisch – was sich wiederum auf die Ernährungssicherheit der Familie auswirkt.

Der Bauer Terab Djiraki und der Viehhüter Levi Brahim schütteln sich die Hände – ein Zeichen für Frieden.

Gewaltvolle Konflikte

Terab Djiraki  und Levi Brahim: Zwei Männer aus der gleichen Gegend. Beide haben Familie. Und beide kämpfen mit den gleichen Problemen – Hunger, Wasserknappheit und den Folgen des Klimawandels. Und doch stehen sie beispielshaft für zwei verfeindete Lager. Denn Terab Djiraki ist Bauer und Levi Brahim ist Viehhüter. Der eine bleibt und wacht. Der andere sucht und wandert.

Die Konflikte zwischen den zwei Gruppierungen haben sich im Tschad in den vergangenen Jahren zugespitzt. Allein in den letzten drei Jahren starben bei Auseinandersetzungen in Süden und im Zentrum von Tschad rund 1230 Personen. 2200 wurden verletzt, wie die unabhängige Organisation «Crisis Group» auf ihrer Homepage schreibt.

Verzweifelte Bauern, die auf Viehhüter losgehen. Wütende Viehhüter, die sich bewaffnen und auf die Bauern schiessen – trauriger Alltag in einem der ärmsten Länder der Welt. Oft geht es dabei um das pure Überleben.

«Die Not und der Hunger der Menschen ist gross. Das befeuert die Auseinandersetzungen», erklärt Emmanuel Yaldé, Projektleiter im Büro Tschad von SWISSAID.

Ihre Spende verändert Leben

Dem Bauern in Ecuador. Der Mutter im Niger. Dem Jungen in Myanmar. Der Frau in Kolumbien. Der Familie in Tansania. Dem Mann im Tschad. Dem Mädchen in Indien. Dem Vater in Guinea-Bissau. Der Bäuerin in Nicaragua. Ihnen kommt Ihre Spende zugute.

Klimawandel verschärft Kluft

Ein Hauptgrund der Konflikte: Der Klimawandel. Die Temperaturen steigen stetig an. Tage mit über 40 Grad sind keine Seltenheit. Dazu kommen Starkniederschläge, welche Acker und Weideland zerstören. Erst in diesem Oktober wurde die Gegend wieder empfindlich getroffen. Schwere Überschwemmungen haben den Menschen die Lebensgrundlage entzogen. Mehr als 500 Menschen sind gestorben. Rund 1,7 Millionen Menschen waren von den Unwettern betroffen, wie das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (Ocha) meldete. Über 300.000 Hektar Agrarland wurden überschwemmt. Fast 70.000 Nutztiere ertranken.

Die Wetterextreme sorgen auch dafür, dass der Hunger wieder zunimmt. Tschad ist eines der ärmsten Länder der Welt. Im Welthunger-Index 2024 belegt das Land Platz 125 von 127 Ländern. Dazu ist die Sahelzone mit starken Migrationsströmen konfrontiert; was den Mangel zusätzlich befeuert. Auch die politische Lage ist instabil. Um nachhaltig auf diese multiplen Krisen in der Sahelzone zu reagieren, hat SWISSAID zusammen mit dem Partner «Vétérinaires Sans Frontières» ein neues Projekt nach dem Triple-Nexus-Ansatz lanciert. Dieses verbindet kurzfristige Nothilfe, langfristige Ernährungssicherheit und die Friedensförderung miteinander.

Hoffnung auf Frieden

Um dies zu erreichen, versucht SWISSAID mit seinen Partnerorganisationen ein Bewusstsein für ein solidarisches Miteinander zu schaffen. Das Projekt unterstützt die Begünstigten dabei, Land- und Viehwirtschaft in einem Klima des Friedens und des sozialen Zusammenhalts zu betreiben.

Es finden viele Gespräche mit der Bevölkerung statt. Auch Behörden werden für die unterschiedlichen Bedürfnisse sensibilisiert. In Workshops lernen sie, wie Konflikte friedlich beigelegt und Verhandlungen sachlich geführt werden.

Schliesslich erarbeiten alle Beteiligten gemeinsam einen Nutzungsplan. Damit soll die Nutzung des Landes klarer geregelt werden. Ein wichtiger Pfeiler ist dabei der Bau von offiziellen Wanderkorridoren. 15 Kilometer lang. Und rund 40 Meter breit. Mit Betonpflöcken markiert, geben diese den Weg vor, auf welchen Viehhüter ihre Tiere künftig auf die Weideflächen treiben – mit genügend Abstand zum fruchtbaren Acker der Gemüsebäuerinnen. «Damit gewährleisten wir, dass grosse Herden durchziehen können, ohne dass dabei umliegendes Land beschädigt wird», erklärt Emmanuel Yaldé.

Diese gebündelten Massnahmen soll das Leben aller Beteiligten erleichtern. Ackerbauern und Bäuerinnen wie Terab Djiraki  müssen weniger Wache halten. Levi Brahim muss weniger nach Weideland suchen und kann sein Vieh ohne Konflikte auf die Felder treiben. Die daraus gewonnene Zeit und Energie können sie dafür nutzen, sich gegen die vielfältigen Herausforderungen der Klimakrise zu wappnen. Und zwar gemeinsam. Die Zeichen stehen gut: «Wir wünschen uns Frieden und friedliches Zusammenleben!», sagen beide unisono.