Die Idylle im Süden von Tansania ist trügerisch. Viele junge Leute zieht es in die Städte. Wer zurückbleibt, hat zu kämpfen: Mit abnehmenden Fischbeständen, Mangelernährung und Armut. Ein Fischzuchtprojekt verspricht neue Perspektiven.
Die Fakten
Die Ziele
Das Projekt zielt darauf ab, die wirtschaftlich, sozial und ökologisch nachhaltige Fischzucht im Süden Tansanias zu fördern. Dadurch wird die Lebensgrundlage der Küstengemeinden verbessert, die ländliche Armut bekämpft und die Ernährungssicherheit gefördert. Gleichzeitig wird der Druck auf die Abholzung der Mangrovenwälder und die Wildfischbestände vermindert.
Dieses Projekt wird durch den Programmbeitrag der DEZA mitfinanziert.
Palmen wiegen sich im Wind. Die Wellen des Indischen Ozeans schwappen träge gegen den weissen Sandstrand. In der Ferne schaukeln ein paar Ngalawas, lokale Fischerboote. Das Leben im Dorf Mchinga scheint friedlich. Doch der Schein täuscht. «Unsere traditionellen Fangmethoden reichen nicht mehr aus, um uns zu ernähren», erzählt der Fischer Hamis Magawila (48). «Oft sind die Wellen zu stürmisch für unsere Fischerboote.» Die Ngalawas bleiben auf dem Trockenen und die Ausbeute fällt karg aus. Die zunehmende Überfischung setzt die Fischer zusätzlich unter Druck.
Der Küstenbezirk der Lindi Region gehört zu den ärmsten Gemeinden in Tansania. Der Grossteil der Bevölkerung hält sich mit Subsistenzwirtschaft knapp über Wasser. Angepflanzt wird hauptsächlich Maniok, Mais und Hirse. Viehzucht ist selten. Fisch stellt die weitgehend einzige Quelle für tierisches Eiweiss dar.
Die Fischzucht beleben
Um den Fischerfamilien eine Lebensgrundlage zu geben, hilft SWISSAID mit, die lokale Fischzucht zu beleben. So wird eine Alternative zur unsicheren Wildfischzucht geschaffen. Im Rahmen des Projekts werden 70 schon bestehende Salzwasser-Fischzuchtteiche und etwa 20 Süsswasser-Fischzuchtteiche neu gebaut oder bestehende repariert und gebrauchstüchtig gemacht, um darin Milchfische oder Tilapia zu züchten.
Das Projekt soll 1’000 Fischerfamilien dabei unterstützen, Salzwasser- und Süsswasser-Fischzuchtteiche aufzubauen, zu betreiben und davon zu profitieren. Im Foto eine Familie mit frischen Futter für die Fische.
Vom Teich auf die Theke
Die Nachfrage nach Fisch ist gross, besonders im Inland. Doch der Weg vom Teich auf die Verkaufstheke ist beschwerlich: Die Fische müssen adäquat gefüttert werden, die Teiche mit Dämmen verstärkt sein, die Wasserqualität muss stimmen. Fischdiebe sowie Wildtiere erschweren die Arbeit zusätzlich. In Trainings werden die Fischer daher für die verschiedenen Herausforderungen geschult. Auch Hamis Magawila macht mit bei dem Fischzuchtprojekt. Er verspricht sich von der Fischzucht wichtige zusätzliche Einkommensmöglichkeiten und mehr Ernährungssicherheit.
Mangroven Wiederaufforstung
Die Fischzuchtteiche bringen der Küstenbevölkerung nicht nur täglich frische Fische. Das Projekt beinhaltet auch Umweltschutzaktivitäten wie die Wiederaufforstung von 16 Hektaren Mangrovenwald. Für Brennholz und Salzabbau wurden viele Mangroven zerstört. Mangroven bilden einen entscheidenden Schutzwall sowohl gegen Küstenerosion als auch gegen den konstant steigenden Meeresspiegel und Sturmfluten. Dieser natürliche Schutz ist in Zeiten des Klimawandels wichtiger denn je. Dank nachhaltigen Fischzuchtpraktiken verringert sich auch der Druck auf die Wildfangfischerei, wovon küstennahe Fischbestände profitieren.
Die 360 Kilometer lange Küste in Lindi ist gesäumt von Mangroven und Flussmündungen, die sich für die Fischzucht eignen. Die Teiche werden von den Gezeiten gespeist.
Fische sind auch Frauensache
Neben der Fischzucht umfasst das Projekt auch die Förderung der Frauen. Besonders verwitwete oder geschiedene Frauen haben in der Küstenregion einen schweren Stand. Fischzucht ist traditionell den Männern vorbehalten. Seit kurzem hat sich das für Bilaya Mbano geändert: «Jetzt teilen wir uns die Aufgaben und arbeiten zusammen», erzählt die 55-Jährige. Im Rahmen des Projekts werden 400 Frauen in Fischzucht ausgebildet und als aktive und mitbestimmende Mitglieder in den lokalen Fischergruppen gestärkt.
Bilaya Mbano lässt ihren Blick auf das Meer hinaus schweifen: «Das Fischzuchtprojekt wird mir dabei helfen, meine Familie zu ernähren.» In ihrer Stimme schwingt Hoffnung mit. Vielleicht ist die Idylle doch einen Wellenschlag näher an der Wirklichkeit als gedacht.