Im Dezember 2021 liessen uns die leeren Getreidespeicher in Niger das Schlimmste befürchten. Denn normalerweise sind zu dieser Zeit die Speicher üppig gefüllt – zur Überbrückung bis zur neuen Ernte im Oktober. SWISSAID leitete schnelle und gezielte Nothilfe ein. Wir beschafften und verteilten 62 Kilogramm schnell wachsendes Saatgut, das das Überleben der Bäuerinnen und Bauern in den nächsten Monaten sichert.
Die Verteilaktion lief gut an und die Aussaat fand kurz darauf statt. In der Zwischenzeit ist das schnellwachsende Saatgut gut gedeiht: in rund 3 Wochen erfolgt die erste Ernte von Amaranth und Salat. Bald werden auch die ersten Essenspakete verteilt. Im Paket sind 50 Kilo Reis, 10 Liter Öl, 5 Kilo Zucker, sowie 10 Kilo Hirsemehl und Pulvermilch für die Kleinkinder. Das gemeinsame Ziel der Nothilfeaktion: mehr als 5000 Haushalte der am stärksten betroffenen Familien bis zur rettenden Ernte im Spätsommer zu versorgen.
«In der aktuellen Situation können wir uns von der Hirse, die wir geerntet haben, nur drei Monate lang ernähren, während wir in einem guten Jahr für zehn bis elf Monate ernten können. Die Saatgutsamen werden uns aber zur Überbrückung helfen.» Zalika Tahirou
Anfang Februar besuchte Nicole Stolz, Leiterin Entwicklungszusammenarbeit und Programmverantwortliche Niger, die Gemeinde Fabidji in der Region Dosso um zu sehen, wie die Verteilung des Saatguts vor Ort erfolgt. Sie hat uns berichtet:
Nicole Stolz, SWISSAID konnte dank lokalen Saatgutbanken das Saatgut im Dezember einkaufen und den Familien bereits im Januar verteilen. Wie weit ist die Reifung der Pflanzen fortgeschritten?
Es läuft gut. SWISSAID konnte bisher insgesamt 62 Kilo Saatgutsamen verteilen. Sie wurden an 2’500 Haushalte in den betroffenen Gemeinden, acht Gemeindezentren und zwei «Blauen Schulen» verteilt. Die erste Ernte ist in rund drei Wochen möglich. Als erstes können die Bäuerinnen und Bauern den schnellwachsenden und gut sättigenden Amaranth aber auch Salat ernten. Kurz darauf sind dann auch Kohl, Moringa und zuletzt Bohnen ausgereift. Die rasche Verteilung von Saatgut im Januar war wichtig. Denn die Vorräte der normalerweise zu dieser Jahreszeit üppig gefüllten Getreidespeicher sind halb leer. Die Menschen essen in der Not ihr letztes Saatgut. Eine Katastrophe.
Und wie läuft die Verteilung der Nahrungsmittelpakete?
Die Nahrungsmittelverteilung ist für die Monate April und Mai geplant. Die letzte Ernte, die die Bäuerinnen und Bauern einfahren konnten, reicht vier bis fünf Monate, also noch bis im März. Danach garantieren einerseits die verteilten Lebensmittel das Überleben der Familien in Not, als auch das erste Gemüse der neuen Ernte. Dank dem Gemüse und den Hilfspaketen können die Familien den Schreckensmoment, wenn der Speicher ganz leer ist, bis im Sommer hinauszögern. Aber spätestens im Sommer muss ein grosses Nothilfeprogramm bis zur nächsten Erne im Oktober weiter überbrücken.
Dann verläuft alles nach Plan?
Aktuell ja, aber wir haben grosse Sorgen. Denn die Ernte von Hirse, das Grundnahrungsmittel in Afrika, findet erst im Oktober statt. Wir wissen noch nicht, wie wir die Zeit nach der Verteilung der Lebensmittelpakete bis im Oktober überbrücken. Ob und wann auch andere Hilfsorganisationen vor Ort sein werden, um die grosse Hungersnot zu bekämpfen, wissen wir aktuell auch noch nicht. Das ist momentan in Planung.
Wie geht es weiter, was sind die nächsten Schritte?
Wir setzten uns mit aller Kraft dafür ein, dass sich auch das «World Food Programm», das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, für eine Nahrungsmittelverteilung einsetzt, um diese akute Hungersnot abzuwenden. Gleichzeitig fördern wir vor Ort die bessere Bewässerung der Gärten, was die Resilienz stärkt. Weiter setzen wir uns für eine Diversifizierung der Lebensmittel ein, damit die Ernährung mit nur Hirse und Fleisch nicht einseitig bleibt.
Im Departement Dogondoutchi, insbesondere in der Gemeinde Dankassari, läuft die Verteilaktion des Saatguts aktuell ohne Probleme weiter. So können bald auch diese Menschen mit den überlebensnotwendigen Samen versorgt werden.
«Die Hungersnot im Niger muss gestoppt werden. Niger ist eines der am stärksten von Hunger betroffenen Länder der Welt. Klimabedingte Dürren und Überschwemmungen verschärfen die Hungersnot im konfliktreichen Norden von Niger noch mehr. Viele Hilfsorganisationen haben sich zurückgezogen. Wir aber sind geblieben und leisten vom vergleichsweise sicheren Dosso aus Not- und Aufbauhilfe.» Nicole Stolz (im Bild in der Mitte)
Eine katastrophale Saison
In einem normalen Jahr dauert die fruchtbare Regenzeit von Juli bis Oktober. Dieses Jahr fiel im Juli extrem viel Regen, Bäche und Flüsse traten über die Ufer und schwemmten Saatgut, keimende Pflanzen und fruchtbare Erde weg. Für viele Bäuerinnen und Bauern fiel die Ernte aus – es war einfach nichts da. Die Getreidespeicher bleiben leer und 2,3 Millionen Menschen im Niger sind akut von Hunger bedroht.
«Wegen des Klimawandels, der Starkregen und Überschwemmungen mit sich bringt, ist mein Speicher nie voll, da der viele Regen die ganze Ernte immer wieder zerstört. Unser Saatgut ist nicht an den Klimawandel angepasst.» Fatouma Halidou