Wiederaufbau des Zuhauses
Als die Embera am 04. Dezember ins Dorf El Valle flüchteten, hatten sie kaum Zeit, das Allernötigste mitzunehmen. Viele mussten ihre Nutztiere und Parzellen zurücklassen. Frühmorgens am 21. Januar, nach 47 Tagen im Exil, machten sich die Vertriebenen auf einer fast zweistündigen Fahrt auf dem Fluss Valle auf den Weg zurück in ihr Zuhause – in Holzkanus, beladen mit Matratzen, Kleidung und Lebensmitteln. Doch Regen und Feuchtigkeit haben während ihrer Abwesenheit grosse Schäden angerichtet: Reis- und Maissamen sind verfault, Maniok- und Süsskartoffelernten verdorben, viele Häuser eingestürzt und einige ihrer zurückgelassenen Tiere sind gestorben.
Mit einem Nothilfeprojekt hilft SWISSAID den Embera-Familien beim Wiederaufbau und bei der Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung. Besonders Mais und Reis sind lebenswichtige Grundnahrungsmittel für die indigene Gemeinschaft.
Ausserdem werden die Führungskapazitäten der indigenen Frauen in Trainings weiter gestärkt. Während der Vertreibung spielten sie eine grosse Rolle: So koordinierten sie zum Beispiel die Aktivtäten in der Schule während des Exils und prangerten die ungewisse Situation sowie die ständigen Drohungen an.
Rückkehr in die Heimat
Im Morgengrauen des Freitags, 21. Januar, kehrten die ersten der 905 Indigenen in ihre Heimat zurück. Sie harrten zuvor während 47 Tagen in einer Schule in Corregimiento del Valle in der Gemeinde Bahía Solano aus. Auf 50 hölzernen Kanus, beladen mit Matratzen, Kleidung und Lebensmitteln, fuhren sie zwei Stunden lang am Ufer des Flusses entlang, bis sie ihre Dörfer erreichten.
Während den vergangenen Wochen wurden die indigenen Familien von verschiedenen Institutionen unterstützt und etwa mit Lebensmittel versorgt. SWISSAID leistete auch soziale Betreuung vor Ort.
Der Bürgermeister von Bahía Solano, Ulmer Mosquera Gutiérrez, versprach, dass die Embera auch nach ihrer Rückkehr nicht im Stich gelassen werden. «Sie haben das Recht auf staatliche Hilfe und erhalten Unterstützung beim landwirtschaftlichen Anbau, der Verbesserung ihrer Häuser und zum Schutz gegen die Abholzung am Fluss.» SWISSAID beobachtet die Situation weiter und hofft, dass die Regierung ihr Wort hält.
Flucht aus Angst vor Gewalt
Am Freitag, den 4. Dezember 2020, liefen um die 1000 indigene Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche in das administrative Zentrum El Valle in der Region Bahia Solana ein.
Die Familien, allesamt Mitglieder der Embera-Gemeinschaft, kamen in kleinen Holzbooten auf dem Fluss an – vertrieben aus ihrer Heimat im Regenwald, nachdem ihr Anführer Miguel Tapí Rito am Morgen zuvor von paramilitärischen Kriminellen ermordet worden war. Die Embera, die über ein Jahrzehnt in Frieden leben konnten, sind sie seit einigen Jahren den Kämpfen zwischen Kokain-Kurieren und dem Staat ausgesetzt. Nun ist ein sicheres Leben in ihrer Heimat nicht mehr gewährleistet.
SWISSAID arbeitet seit mehreren Jahren mit den indigenen Gemeinschaften und speziell mit den Embera an der Pazifikküste zusammen, mit Fokus auf Aufforstungs- und Agroökologie-Projekte. Die Situation der Geflüchteten ist schwierig und die regionale Regierung hat bisher keine Hilfe zugesagt. SWISSAID unterstützt sie mit kleinen finanziellen Beiträgen, damit sie Essen kaufen können. Und ruft andere Organisationen – vor allem aber auch den Staat – dazu auf, die Embera vor Gewaltübergriffen zu schützen und ihre Rechte wiederherzustellen.
«Wir wollen keinen Krieg mehr, wir wollen in Frieden leben»
«Wir, die indigenen Völker, wollen in Frieden und Harmonie mit der Natur leben», «Wenn Blut vergossen wird, stirbt auch die Erde», «Wir wollen keinen Krieg mehr, wir wollen in Frieden leben» – dies sind drei von vielen Parolen, die von den Embera gesungen wurden, als sie am 4. Dezember durch die Strassen von El Valle zogen. Das sind Proteste gegen die begangenen Taten der Kriminellen, aber vor allem auch für den Schutz ihres Landes, von dem sie ihren ganzen Reichtum ableiten. Als «Mutter Erde» betrachtet, sind ihre bewirtschafteten Parzellen ihr Lebensraum, ihre Nahrung und ihre Kultur in einem. Dies im extremen Kontrast zu den intensiven Abholzungen und den grossflächigen Monokulturen, die in den meisten Regionen betreiben werden und die Gemeinschaft bedrohen. Es muss deshalb das Ziel sein, Ruhe in die Region zu bringen, damit die Embera in ihre Heimat zurückkehren können.