Der Niger ist ein Land, das besonders unter dem Klimawandel leidet. Warum?
Niger erlebt seit Jahren extreme Wetterereignisse. Dürrejahre, sehr hohe Temperaturen, Sturzfluten und Überschwemmungen wechseln sich ab. Dadurch ist die natürliche Ressourcenbasis stark angegriffen. Gleichzeitig ist die Klimapolitik eine Politik der Zentralregierung, die der Dezentralisierung nicht gerecht zu werden vermag. Klimadaten sind beispielsweise nach wie vor stark aggregiert und nur national vorhanden. Sie vermögen lokale Unterschiede nicht abzubilden. Gerade eine gute lokale Datenlage wäre aber notwendig, um eine kohärente Klimaanpassungspolitik umsetzen zu können, die auf die verwundbarsten Regionen und Menschengruppen eingeht.
Wie ist das Bewusstsein der Bevölkerung vor Ort zum Klimawandel? Nehmen die Menschen in unserer Projektregion Kiéché den Wandel wahr?
Dadurch dass die landwirtschaftliche Saison durcheinander ist, mal früher, mal später, mal fast gar nicht gesät werden kann, oder die Ernte aufgrund zu wenig oder zu viel Regen verdirbt, fühlen die Menschen den Klimawandel sehr gut. Sie sind direkt am eigenen Leib betroffen. Die wenigsten können genügend ernten, um ihrer Familie drei Mahlzeiten am Tag zuzubereiten… Die Konsequenz: Männer ziehen weg, auf der Suche nach neuen Einkommensquellen. Die Frauen bleiben mit der Pflege der Alten, der Kinder, der Kranken, der Landwirtschaft und dem Hunger auf sich allein gestellt.
Abwanderung der Männer ist das eine grosse Problem in unseren Projektregionen. Das andere ist der Boden …
Genau. Die Anbaufläche von Ackerland und die Dauer der landwirtschaftlichen Saison sind in den letzten 30 Jahren deutlich zurückgegangen. Der Boden versandet. Der Anstieg der Temperaturen und die grossen Schwankungen der Niederschläge stören die landwirtschaftlichen Jahreszeiten. Dadurch fällt die Ernte kleiner aus. Beim schlimmsten Szenario des Klimawandels wird für West- und Zentralafrika ein Rückgang der Erträge um rund 13 Prozent erwartet. Dabei sind nicht alle Pflanzen gleich betroffen: Hirse und Sorghum sind widerstandskräftiger. Bei Reis und Weizen sind die Ertragsverluste höher.
Auf welche Strategien setzt SWISSAID, um die Menschen vor Ort zu unterstützen?
Gerade in Kiéché sehe ich viel Potenzial. Die Viehzucht liefert einen großen Teil des nicht-chemischen Düngers, dieser organischen Substanz, die gesündere Böden ermöglicht. Die Kombination von Viehzucht und Landwirtschaft ist eine gute Möglichkeit, den Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen. Die Gemeinde verfügt auch über mehrere Flächen, die sich für den Anbau von Gemüse eignen, dessen Ertrag die Ernährung des Haushalts diversifizieren wird. Zudem ist der Grundwasserspiegel hoch. Es fehlt vor allem an Bewässerungsmöglichkeiten.
Mit Agrarökologie gegen den Klimawandel
Die Emissionen im Niger betragen gerade mal 0,1 Tonnen pro Jahr und pro Person. Gleichzeitig liegt der CO2-Fussabdruck in der Schweiz aktuell auf 12-14 Tonnen pro Jahr pro Person! Welche Anliegen vertritt SWISSAID politisch hier in der Schweiz?
Es ist nicht haltbar, dass ein Land wie Niger allein gegen die bei ihnen so drastischen Folgen dieses vor allem von industrialisierten Ländern verursachten Klimawandels kämpfen muss. Entsprechend fordern wir, dass die Schweiz die Klimafinanzierung aufstockt auf eine Milliarde Franken pro Jahr.
Das ist gemessen am pro Kopf Fussabdruck der Schweiz und ihrer Wirtschaftskraft adäquat. Zurzeit ist es knapp die Hälfte – und dieses Geld kommt erst noch zu einem grossen Teil aus dem Entwicklungshilfebudget. Das ist gemessen an den bestehenden anderen entwicklungspolitischen Herausforderungen von Hunger, Armut, Migration und Gewalt, die ebenfalls weiterhin angegangen werden müssen, keine gute Strategie. Einmal zahlen und sich dies mehrfach anrechnen lassen – das ist in Anbetracht der Situation zynisch. Auf internationaler Ebene fordern wir, dass die Schweiz der Agrarökologie zum Durchbruch verhilft.