Der Bericht zeigt klar: Zahlreiche Klimafolgen – einschliesslich der Extremereignisse – lassen sich direkt dem Treibhauseffekt zuordnen. Wetterextreme sind intensiver und häufiger geworden. Die jetzige Erwärmung ist höher als es in den letzten 100 000 Jahren jemals der Fall war. Heute zählt jeder Bruchteil eines Grades, um die Folgen der Klimaerwärmung in Schach zu halten.
Was passiert, wenn die Schweiz und alle anderen Länder ihre Emissionen nicht reduzieren?
Sonia Seneviratne: Es ist entscheidend, dass wir unsere CO2-Emissionen so schnell wie möglich reduzieren. Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, müssen die CO2-Emissionen spätestens zwischen 2040 bis 2050 auf null reduzieren. Wir können Fortschritte erzielen, wenn benzinbetriebene Autos bald aus dem Verkehr gezogen und fossile Heizungen rasch durch solche mit erneuerbarer Energie ersetzt werden. Zudem muss die Schweiz ihre Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wasser oder Wind massiv ausbauen.
Sonia Seneviratne, Professorin für Land-Klima-Dynamik an der ETH Zürich und Co-Autorin des letzten Berichts des Weltklimarats
Andreas Fischlin: Wenn alle Länder so handeln würden wie die Schweiz, liesse sich die Erwärmung gemäss Pariser Klimaabkommen nicht mehr auf 1,5 Grad begrenzen. Hierzu müssen die Treibhausgasemissionen global ab spätestens 2025 sinken und bis 2030 halbiert werden. Der Absenkpfad der Schweiz widerspricht diesen Erfordernissen. Da wir mit wirksamen Massnahmen lange geschlafen haben, befinden wir uns nun in einer Zwickmühle, denn man kann nicht von heute auf morgen die gesamte Energieversorgung genügend rasch umstellen.
Andreas Fischlin, emeritierter Professor für Terrestrische Systemökologie an der ETH Zürich und Vizeleiter einer Arbeitsgruppe des Weltklimarats
Welche Bedeutung messen Sie im Zusammenhang mit dem Klimawandel der lokalen Innovations- und Anpassungsfähigkeit der Menschen, insbesondere in abgelegenen ländlichen Gebieten bei?
Sonia Seneviratne: Es gibt eine Reihe von Massnahmen, die je nach Region auf lokaler Ebene ergriffen werden können. Zum Beispiel die Einführung neuer Kultursorten für die Landwirtschaft oder Informationen über spezifische Risiken für die Bevölkerung wie Hitzewellen oder extreme Niederschläge. Aber es gibt auch Grenzen für die Anpassungsmöglichkeiten. Deshalb ist entscheidend, dass wir alles daransetzen, die globale Erwärmung bei 1,5 Grad zu stabilisieren.
Wie wichtig ist es, dass wir die Landwirtschaft und Ernährungssysteme umstellen auf nachhaltige, agrarökologische Systeme?
Andreas Fischlin: Die Landwirtschaft trägt massgeblich zum Klimawandel bei und verursacht weltweit mehr Emissionen als der Verkehr. Es ist daher zentral, dass die Landwirtschaft mit weniger Emissionen auskommen und nachhaltiger werden muss. Dort, wo Ressourcen geschont werden können, wie dies in der nachhaltigen Landwirtschaft der Fall ist, ist das eine echte Chance, die wir packen müssen. Erst recht, wenn nachhaltige Methoden erwiesenermassen günstiger sind als konventionelle.