Den Weg des Goldes vom Abbau bis zur finalen Nutzung nachzuverfolgen, ist nicht einfach. Sobald abgebaut, wird das wertvolle Metall verkauft, transportiert, verarbeitet, exportiert, erneut verarbeitet und wieder verkauft. Dabei durchläuft es in verschiedenen Ländern verschiedene Stationen. Ein grosser Teil des Goldhandels ist intransparent.
Diese Intransparenz haben Marc Ummel und Yvan Schulz, verantwortlich für das Dossier Rohstoffe bei SWISSAID, in einer neuen wegweisenden Studie über afrikanisches Gold untersucht. Um die Spur des wertvollen Metalls zu verfolgen, haben sie die Produktion – sowohl von deklariertem wie auch von nicht deklariertem Gold, sowie den Handel in allen 54 afrikanischen Ländern über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren untersucht.
Bis zu 32 Milliarden CHF
was rund 474 Tonnen handwerklich hergestelltem Gold entspricht, werden in Afrika nicht deklariert. Ein entgangener Gewinn für die afrikanischen Staaten.
Über 435 Tonnen Gold
wurden 2022 illegal aus Afrika exportiert, was mehr als einer Tonne pro Tag entspricht. Der Goldschmuggel aus Afrika hat sich zwischen 2012 und 2022 mehr als verdoppelt.
VAE, CH und IND
waren zwischen 2012 und 2022 die drei wichtigsten Importländer für Gold aus Afrika. Die Schweiz allein wickelt fast 50 Prozent der weltweiten Goldimporte ab.
Gold nicht immer deklariert
Die Ergebnisse sind überwältigend: Jährlich werden in Afrika zwischen 321 und 474 Tonnen handwerklich gewonnenes Gold produziert, ohne deklariert zu werden. Dies entspricht einem Wert von 24 bis 35 Milliarden US-Dollar, was 72 bis 80 Prozent der gesamten handwerklichen Goldproduktion in Afrika ausmacht. Die Untersuchung beleuchtet auch eine besorgniserregende Entwicklung: Der Goldschmuggel in Afrika nimmt stetig zu. Zwischen 2012 und 2022 hat er sich mehr als verdoppelt.
Diese Zahlen sind besonders bedeutsam, da Gold die Haupteinnahmequelle für viele afrikanische Staaten ist, zur Finanzierung bewaffneter Gruppen beiträgt und die Ursache schwerer Menschenrechtsverletzungen sowie Umweltzerstörungen sein kann. «Mehr Transparenz im afrikanischen Goldhandel ist unerlässlich, um die Staaten und die Industrie in die Pflicht zu nehmen», sagt Yvan Schulz, Projektleiter bei SWISSAID und Mitautor der Studie.
Echte Herkunft verschleiert
Die Schweiz gehört neben den Vereinigten Arabischen Emiraten und Indien zu den drei wichtigsten Importländern für afrikanisches Gold. Im Jahr 2022 war die Schweiz für 21 Prozent der Direktimporte von afrikanischem Gold ins Ausland verantwortlich. Neben den Direktimporten aus Afrika bezieht die Schweiz auch eine beträchtliche Menge Gold aus Dubai (über 1’670 Tonnen Gold zwischen 2012 und 2022).
Da die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) keine eigenen Minen haben, importieren sie ebenfalls Gold, grösstenteils aus Afrika. Allerdings wird dieses Gold nicht immer deklariert. Die neue SWISSAID-Studie deckt auf, dass zwischen 2012 und 2022 2’596 Tonnen Gold, die nicht zur Ausfuhr angemeldet waren, aus Afrika in die VAE importiert wurden.
Da die schweizerische Gesetzgebung beim Import von Gold nur die Deklaration des vorherigen Transitorts verlangt und nicht des Herkunftsorts, wird das Gold als emiratisches Gold betrachtet, ohne dass seine afrikanische Herkunft erwähnt wird. «Das ist problematisch, denn seit vielen Jahren landet geschmuggeltes Gold, das potenziell mit Konflikten oder Menschenrechtsverletzungen in Verbindung steht, völlig legal in der Schweiz», beklagt Marc Ummel, Verantwortlicher der Rohstoffabteilung bei SWISSAID und Mitautor der Studie.
Für faires Gold!
Die Schweiz könnte Veränderungen bewirken
Die Schweiz spielt hier eine wichtige Rolle; vier der neun grössten Raffinerien der Welt befinden sich auf Schweizer Boden und fast die Hälfte der weltweiten Goldimporte werden über unser Land abgewickelt. Wenn die Schweiz strengere Gesetze für diese Importe erlassen würde, hätte dies einen echten Einfluss auf den weltweiten Goldhandel.
Die Revision des Zollgesetzes, das im Herbst im Parlament diskutiert werden soll, bietet eine Gelegenheit, den gesetzlichen Rahmen zu stärken und die Rückverfolgbarkeit der Rohstoffe zu verbessern. Insofern kommt die Studie genau zum richtigen Zeitpunkt. SWISSAID hofft, dass sie den Anstoss für eine strengere Gesetzgebung geben wird – und damit die Lebensbedingungen der Menschen im globalen Süden verbessert.
4 Fragen an die Autoren
Was haben Sie in der neuen Studie untersucht?
Yvan Schulz: Wir haben die Goldflüsse aus jedem der 54 afrikanischen Länder analysiert. Dazu haben wir Daten zur Produktion, zum Export und Import von Gold in den afrikanischen Ländern gesammelt und diese mit den Daten der Länder verglichen, die afrikanisches Gold importieren (fast ausschliesslich nicht-afrikanische Länder). Das ist ein wichtiger Aspekt, denn nicht deklariertes Gold führt zu fehlenden Einnahmen in den afrikanischen Staaten. Viel Geld, das afrikanische Staaten in die Bildung und Gesundheit investieren könnten.
Was hat Sie bei Ihren Recherchen am meisten überrascht?
Marc Ummel: Mehrere Dinge. Zum Beispiel ist die Menge an nicht deklariertem Gold weitaus grösser als bisher angenommen. Und bei einigen Importländern, darunter auch die Schweiz, gibt es gesetzliche Lücken, die den Import von nicht deklariertem Gold oder Gold aus Konfliktgebieten ermöglichen oder wahrscheinlich machen.
Wir waren auch erstaunt, dass einige afrikanische Staaten, die viel Gold produzieren, praktisch keine offiziellen Exporte verzeichnen, während andere Staaten, die wenig produzieren, grosse Mengen exportieren. Das zeigt, dass strengere Gesetze und verstärkte Kontrollen in nicht-afrikanischen Importländern wichtig aber nicht ausreichen sind, um die anstehenden Probleme zu lösen. Auch in Afrika selbst, insbesondere auf nationaler und regionaler Ebene, muss viel getan werden.
Warum hat SWISSAID diese Studie durchgeführt?
M.U.: Indem wir die illegalen Handelsströme des Goldes, die nicht deklarierten Exporte und gewaschenen Mengen an Gold dokumentieren und die beteiligten Länder benennen, erhöhen wir den Druck, dass endlich wirksame Richtlinien erlassen werden! Unser Ziel ist jedoch grösser: Wir wollen dazu beitragen, die Arbeits- und Lebensbedingungen von Millionen von Goldminenarbeiter:innen und ihren Familien endlich zu verbessern, die Einnahmen der afrikanischen Staaten zu erhöhen und gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden zu kämpfen. Diese Studie ist somit die Fortsetzung unserer Entwicklungszusammenarbeit vor Ort und trägt konkret dazu bei, Veränderungen zu bewirken.
Was bringt diese Studie der Goldbranche?
Y.S.: Unsere Studie befasst sich mit im Grunde bekannten Tatsachen, deren Ausmass bisher jedoch nur vermutet wurde. Als wir die Goldhandelsströme in ganz Afrika untersuchten und bezifferten, stellten wir fest, dass der Goldschmuggel weitaus grösser ist als bisher angenommen. Die Studie erhöht die Transparenz im afrikanischen Goldhandel erheblich. Das wird die politischen Verantwortlichen und andere Entscheidungsträger in den betroffenen Ländern verpflichten, die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Zollkontrollen und die Sorgfaltspflichten der Unternehmen zu verschärfen.
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