Veronica Massawe, Leiterin des länderübergreifenden CROPS4HD-Projekts in Tansania und Expertin für Agrarökologie, erläutert im Interview die Bedeutung der nachhaltigen Landwirtschaft für die Region und die Veränderung, die sie mit sich bringt.
Warum verfolgt SWISSAID in Tansania den Ansatz der Agrarökologie?
In Tansania unterstützt SWISSAID Kleinbauernfamilien in der südlichen Region bei der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Diese Region gehört zu den ärmsten Gebieten des Landes und die Menschen sind mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, wie z. B. mangelhafte Ernährung, negative Auswirkungen des Klimawandels, schlecht gepflegte Böden und Brandrodung auf den Feldern.
Die Agrarökologie bietet eine Lösung für diese Herausforderungen. Sie setzt auf Vielfalt, die Wiederverwertung von Nährstoffen, die Nutzung lokaler Materialien und traditionelles Wissen. Dadurch werden weniger externe Einsatzmittel benötigt, was die Lebensbedingungen der ohnehin schon benachteiligten Menschen verbessert. Langfristig hilft die Agrarökologie, Gemeinschaften widerstandsfähiger gegen Klimaschocks zu machen und sich besser an den Klimawandel anzupassen. Aus diesen Gründen setzt SWISSAID in Tansania auf agrarökologische Methoden.
Können Sie uns konkrete Beispiele für agrarökologische Praktiken geben, die vor Ort angewendet werden und positive Auswirkungen auf die lokale Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit der Gemeinschaft haben? Was hat sich auf den Feldern geändert?
Bevor SWISSAID die Bäuerinnen und Bauern in agrarökologischer Landwirtschaft unterstützte, hielten sich die Bauern nicht an bewährte Methoden wie zum Beispiel den richtigen Pflanzabstand, die Auswahl von hochwertigem Saatgut oder die rechtzeitige Planung und Ernte.
So wurden bei der Vorbereitung der Felder starke chemische Herbizide, insbesondere Glyphosat und Brandrodung eingesetzt. Der Einsatz von chemischem Dünger war aufgrund finanzieller Einschränkungen sehr gering. Nur diejenigen, die es sich leisten konnten, setzten Dünger ein, der Rest verbesserte die Bodenfruchtbarkeit nicht.
Zur Schädlingsbekämpfung nutzen die Bäuerinnen und Bauern jetzt selbstgemachte Biopestizide aus Kräutern wie Neem, Aloe Vera, scharfer Chili, Knoblauch, Papayablättern, Zwiebeln usw. und setzen abweisende Pflanzen wie Ringelblumen, Zitronengras, Tithonia ein. Die Bodenfruchtbarkeit wird durch agrarökologische Praktiken wie Mischkultur, Kompostierung/Düngung, Mulchen und Fruchtfolge erhalten.
Die jüngste Bewertung, die wir in Tansania durchgeführt haben, zeigt, dass diese Praktiken die Betriebsausgaben erheblich reduzieren und letztendlich die Produktivität und das Einkommen steigern. Wir haben auch festgestellt, dass die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit zunehmen, je mehr die Betriebe auf fortschrittlichere agrarökologische Methoden umstellen.
Wie reagieren die Bäuerinnen und Bauern auf die neuen agrarökologischen Ansätze? Welche Herausforderungen erleben sie?
Viele Bäuerinnen und Bauern im Süden Tansanias, die von unserem Programm profitieren, sind zufrieden und stolz auf die Unterstützung durch SWISSAID. Sie haben positive Veränderungen in ihrem Leben und ihren landwirtschaftlichen Praktiken erlebt und schätzen das Wissen, das sie dank den durchgeführten Projekten gewonnen haben. Trotz dieser Erfolge stehen die Bauerfamilien in der Region weiterhin vor verschiedenen Herausforderungen. So haben sie beispielsweise kaum Zugang zu Wasser, geschweige denn zu Bewässerungsanlagen. Weiter sind stabile und verlässliche Märkte schwer zu finden, solche, die faire Preise bieten und regelmässige Käufer:innen für ihre agrarökologischen Produkte haben.
Fatuma Suleimani Rashidi, 38, ist Bäuerin in der Region Mtwara und Mutter von vier Kindern. Seit 2012 betreibt sie biologische Landwirtschaft. Sie stellt organischen Dünger und Pestizide her, wendet Techniken zur Konservierung von Saatgut an und kennt sich in der Geflügel- und Ziegenzucht aus.
Das alles kommt unserer Gesundheit zugute und verringert Krankheiten und Verdauungsprobleme, die durch Chemikalien verursacht werden. Ausserdem konnte ich viel Neues lernen und mich mit verschiedenen Menschen treffen und austauschen. Das hat mein Wissen und Verständnis erweitert und mein Leben über die Landwirtschaft hinaus bereichert.
Wie beeinflusst die Umstellung auf eine nachhaltige Landwirtschaft das Einkommen und Leben der Familien?
In vielerlei Hinsicht. Die Ergebnisse der Evaluierung zeigen, dass mit der Umstellung der Bauernfamilien auf Agrarökologie ihre Produktivität, ihr Einkommen und ihre Ernährungssicherheit steigen, während ihre Ausgaben für Betriebsmittel und Lebensmittel sinken. Bauern und Bäuerinnen, die sich bereits in der Umstellung befinden oder fortgeschrittene Stufen der Agrarökologie erreicht haben, sind bessergestellt.
In Tansania werden Frauen immer noch benachteiligt, obwohl sie es sind, die für die Ernährung der Familien verantwortlich sind. Wie verhilft die Agrarökologie den Frauen punkto Stellung und Rolle im Dorf? Welche Vorteile ergeben sich für sie und ihre Familie?
Leider sind Frauen in der Gesellschaft weiterhin benachteiligt, obwohl sie eine entscheidende Rolle im Haushalten, in Gemeinschaften und bei der Umstellung auf Agrarökologie spielen. Die Einführung der Agrarökologie hat für sie positive soziale Veränderungen gebracht, wie etwa mehr Anerkennung, Respekt und wirtschaftliche Vorteile. Zudem sind Frauen massgeblich an der gemeinsamen Schaffung und Weitergabe von Wissen beteiligt, was ihren Familien und Gemeinschaften durch verbesserte Ernährung und geteilte Verantwortlichkeiten zugutekommen.
Allerdings sind Frauen oft mit zusätzlicher Arbeit belastet, insbesondere bei der Vorbereitung von Materialien wie Dünger und Saatgut oder der Pflege von Pflanzen. Diese zusätzlichen Aufgaben können körperlich anstrengend sein und zu Erschöpfung, Verletzungen oder gesundheitlichen Problemen führen. Es ist wichtig, Mechanismen einzuführen, die diese Belastung reduzieren, etwa durch die Bereitstellung einfacher Geräte zur Verarbeitung von Ressourcen und anderer hilfreiche Geräte, um die Haushaltsarbeiten zu erleichtern.