Die Menschen in Tansania bekommen die Auswirkungen des Klimawandels schonungslos zu spüren: Starkregen, Überschwemmungen sowie lange Dürreperioden bestimmen den Alltag und zerstören Äcker und Ernten. Die Pflanzen verfaulen, verdorren oder sind vermehrt von Schädlingen befallen. Kleinbäuerinnen und -bauern stehen vor existenziellen Problemen und leiden Hunger.
Wie also können sich Kleinbauernfamilien in Tansania, die stark vom Klimawandel betroffen sind, künftig besser schützen, damit sie und ihre Ernten resilienter werden und nicht mehr hungern müssen?
Retterin Agrarökologie
In einem fünfjährigen Forschungsprojekt wurde untersucht, wie verschiedene agrarökologische Praktiken die Produktivität und Nachhaltigkeit beim Anbau von Maniok und Mais – zwei wichtigen Lebensmitteln in Tansania – beeinflussen. Das Projekt stützte sich auf die Forschung von Angelika Hilbeck, Expertin für Agrarökologie und Umweltbiosicherheit an der ETH Zürich. Es wurde in Zusammenarbeit mit der Sokoine University of Agriculture in Tansania, SWISSAID und lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen durchgeführt.
Die Forschung beschäftigte sich auch mit der Frage, wie die Digitalisierung, insbesondere mittels einer App, dazu beitragen kann, die agrarökologische Landwirtschaft unter Kleinbauernfamilien in Tansania zu verbreiten und so ihr Leben nachhaltig zu verbessern.
SWISSAID setzt seit jeher auf den nachhaltigen Ansatz der Agrarökologie, besonders auch in Tansania. Franceso Ajena, Themenverantwortlicher für Agrarökologie bei SWISSAID:
In Tansania gewinnt die Agrarökologie an Bedeutung und wird auch von der Regierung gefördert. Denn die konventionellen Ansätze zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, die auf den Einsatz teurer und gefährlicher Chemikalien setzen, haben sich als begrenzt erfolgreich erwiesen und die Umwelt geschädigt.
Obwohl bereits viele agrarökologische Praktiken entwickelt wurden, gab es bisher wenig wissenschaftliche Bewertungen ihrer lokalen Wirksamkeit. Diese Forschung zielte darauf ab, diese Lücke zu schliessen.
Die Ausbildung durch SWISSAID hat mein Leben verändert – ich kann nun meine Familie mit sicheren, biologischen Lebensmitteln versorgen und verdiene mehr auf dem Markt.
Amina Mohamed, 40, Bäuerin in Kiromo
Forschung für die Zukunft
Die Studien liefern interessante wissenschaftliche Erkenntnisse über das Potenzial des ökologischen Anbaus. Dazu wurde in drei agrarökologischen Zonen in Tansania geforscht. Untersucht wurde, welche gängigen agrarökologischen Methoden lokal am besten funktionieren, um die landwirtschaftliche Produktion in Tansania zu verbessern.
Untersucht und bewertet wurden dabei Massnahmen, die die Bodenfruchtbarkeit fördern und die Artenvielfalt, sowie die biologische Schädlingsbekämpfung erhöhen. Getreu dem agrarökologischen Prinzip, Wissen gemeinsam zu schaffen und zu teilen, trugen Bäuerinnen und Bauern eine aktive Rolle im Forschungsprojekt und führten auf ihren eigenen Feldern ergänzende Experimente durch und erhoben Daten.
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Mit der App auf dem Acker
Zwei Bäuerinnen fotografieren mit der „Macho Sauti“ App schädlingsbefallene Pflanzen, um von anderen Bauern, Agronominnen oder Wissenschaftler:innen in Tansania eine Lösung für das Problem zu erhalten.
Ein entscheidender Aspekt dieser Forschung war die Integration von Informationstechnologie in die agrarökologischen Praktiken. Speziell entwickelte Apps unterstützten die Feldforschung und trugen massgeblich dazu bei, Daten zu sammeln, zu analysieren und zu interpretieren.
- Die «AgroEco Research» App ermöglicht Forscherinnen und Forscher eine schnelle und systematische Erfassung von Felddaten.
- Die «Ugunduzi» App hingegen, gibt den Bäuerinnen und Bauern die Möglichkeit, ihre eigenen Forschungs- und Erfahrungsdaten direkt vor Ort auf ihren Betrieben aufzuzeichnen, zu bewerten und so ihr Wissen untereinander zu teilen.
- Weiter können die Bäuerinnen mit der App «Macho Sauti» Pflanzen und Tiere fotografieren, die ihnen Probleme bereiten, dazu einen Kommentar aufs Telefon sprechen und das Ganze auf eine Internetplattform senden, die von anderen Bauern, Agronominnen und Wissenschaftler:innen in Tansania und anderen Ländern genutzt wird. Je nach Problem erhalten die Bäuerinnen innerhalb von wenigen Stunden einen Lösungsvorschlag.
Wirksame Lösungen für Maniok
Besonders interessant waren die Studienergebnisse für den Maniokanbau. Die Resultate ergaben, dass lokal angepasste Sorten wie Kiroba hohe Erträge liefern können, wenn sie in den Tiefland-Küstenregionen Tansanias angebaut werden.
Weiter wurde festgestellt, dass arbeitsintensive und teure Schädlingsbekämpfungsmethoden möglicherweise wenig Vorteile bringen, insbesondere wenn robuste Sorten wie Kiroba verwendet werden. Stattdessen sollten eher die Vorteile eines vielfältigen Anbaus genutzt werden, der ein Gleichgewicht zwischen Schädlingen und ihren natürlichen Feinden fördern kann. «Es scheint, dass es bei Maniok vor allem darauf ankommt, lokal gut angepasste Sorten zu verwenden», so Simon Degelo, Experte für Saatgut bei SWISSAID.
Ohne Maniok kein Leben – Maniok ist eine wichtige Grundnahrungspflanze in Tasania, die trotz schwieriger Bedingungen wie Dürren und schlechten Böden gedeiht. Sie dient dem Menschen Grundnahrungsmittel, sowohl in Form von Mehl, Brei oder Snacks und als Blattgemüse für Proteine und Vitamine. Trotz ihrer Bedeutung variiert die Ernteausbeute stark, und die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Maniokproduktion bis 2030 zu verdreifachen.
Vielversprechende Ergebnisse für den Maisanbau
Ein überraschend positives Ergebnis der Studie zeigte weiter auf, dass auf nährstoffarmen Böden eine gute Ernte von Mais möglich ist, wenn organische Düngemittel wie z.B. Mist mit stickstoffreichen Pflanzen kombiniert werden. Diese Kombination hat an zwei von drei Standorten den Maisertrag stärker erhöht als einzelne Massnahmen allein.
Diese Synergie wurde bisher in der Forschung selten untersucht und bietet eine neue Möglichkeit, den Maisertrag auf ökologische Art zu steigern. Bodenverbesserungsmassanahmen haben weitere Vorteile: Sie bewahren die Bodenfeuchtigkeit, schützen vor Überschwemmungen und Dürren und fördern die Bodengesundheit für alle Nutzpflanzen.
Gemischte Ergebnisse bei der Schädlingsbekämpfung
Die arbeitsintensiven und kostspieligen Verfahren zur biologischen Schädlingsbekämpfung lieferten gemischte Ergebnisse. Sie erfordern Kenntnisse über Art und Ökologie der Schädlinge, damit sie wirksam sind, und daran mangelt es. Um die Vorteile der biologischen Schädlingsbekämpfung voll ausschöpfen zu können, muss viel mehr in die Forschung und Beratung im Bereich der Schädlings- und Krankheitskunde von Nutzpflanzen investiert werden.
Ermutigender Weg für alle
Die Studie unterstreicht jedoch klar die Wirksamkeit von agrarökologischen Praktiken, um die landwirtschaftliche Produktion zu steigern. Sie zeigt die Bedeutung von lokal angepassten Lösungen, die für unterschiedliche Nutzpflanzen anders ausfallen und die Notwendigkeit, in die Entwicklung resistenter Sorten zu investieren. Die Ergebnisse mit soliden Beweisen aus wissenschaftlichen Quellen können Kleinbauernfamilien, Ausbildungseinrichtungen, politischen Entscheidungsträgern und der breiten Öffentlichkeit empfohlen werden.
Die Agrarökologie ist ein vielversprechender Weg, um den Herausforderungen der Landwirtschaft in Tansania zu begegnen und eine nachhaltige Zukunft für alle zu schaffen. «Ökologische Landwirtschaft hat bei guter Umsetzung das Potenzial die landwirtschaftlichen Einkommen zu steigern. Der Anbau ist jedoch komplex und die Kleinbauernfamilien benötigen vertieftes Fachwissen und Erfahrung rund um agrarökologische Methoden», erklärt Angelika Hilbeck.
Die Integration technologischer Anwendungen wie Apps in die agrarökologische Forschung bietet dabei neue Möglichkeiten, die Effizienz und Wirksamkeit und den Erfahrungsaustausch weiter zu verbessern.